Es gibt Berufe, bei denen man nicht zwingend wach sein muss: Etwa Bauer, Sekretärin oder in der Produktion an der Cocktailwürstchen-Einfüllstation. Denn es ist relativ egal, ob 4, 5 oder 6 Cocktailwürstchen in der Erbsensuppe sind. Ok, kalkulatorisch gesehen, wären für das Unternehmen immer 4 Cocktailwürstchen günstiger als 6, aber ich glaube nicht, das schon mal ein Unternehmen aus der Lebensmittelbranche dicht gemacht hat, weil die Fleischeinlage höher war als kalkuliert.
Ich würde sogar sagen, dass man als Programmierer nicht durchgehend wach sein muss, denn Fehler sollten spätestens beim Testen wieder offensichtlich werden.
Und dann gibt es Berufe, bei denen man tunlichst das Einschlafen vermeiden sollte, wie Krankenschwester, LKW-Fahrer oder Arzt. Zur dritten Berufsgruppe gehört meine Freundin und man hat nicht das dringende Gefühl, dass alles getan wird, um eine ausgeruhte Mitarbeiterin auf Station und im OP zu haben. Sie hat regulär verlängerte Dienste (4 Stunden länger), Wochenenddienste und 24 Stunden Dienste ohne Freizeitausgleich, sprich wenn du am Wochenende arbeitest, heißt es nicht, dass du deswegen in der Woche frei bekommst. Ganz davon zu schweigen, dass sie selten pünktlich um 16 Uhr Feierabend machen kann.
Beispielsweise gestern: Da war ich erst um 17 Uhr am Hauptbahnhof Hamburg, weil ich mir schon dachte, sie kommt nicht vorher von der Arbeit. Sie meldete sich nicht, also fuhr ich mit der U-Bahn zu den Landungsbrücken, um dort ein bißchen spazieren zu gehen. Bis 17:15 Uhr hatte sie sich immer noch nicht gemeldet, also fuhr ich mit der Fähre nach Övelgönne, um von dort aus zu ihrer Wohnung zu gehen. Um 17:45 Uhr rief sie mich an, sagte sie müsse noch einen Entlassungsbrief für einen Patienten fertig schreiben und wäre so gegen 18:30 Uhr zu Hause. Um 18:35 Uhr war ich bei ihrer Wohnung und wartete dort noch weitere 15 Minuten ehe sie total fertig nach Hause kam.
Ich kann es ihr nicht verübeln, dass sie gestresst, dünnhäutig und immer müde ist. Und offensichtlich ist diese Arbeitseinteilung seiten des Krankenhauses keine vorübergehende Erscheinung, sondern eine permanente. Zu Spitzenzeiten bei 24 Stunden Wochenenddiensten und verlängerten Diensten kommt sie locker auf eine 80 Stunden Woche. Und wie schon geschrieben, es ist kein Job, wo man sich mal zwischendurch erholen kann oder nicht immer 100%ig bei der Sache sein muss. Wenn sie einen Fehler macht, leidet die Gesundheit ihres Patienten darunter. Es ist schon eigenartig in einem Land zu leben, wo diejenigen, die sich um die Gesundheit kranker Menschen kümmern, so ausgebeutet werden.