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Wikileaks im land of the free

Ich finde es äußerst erschreckend wie mit Wikileaks umgegangen wird. Natürlich verstehe ich es aus Sicht der US-Regierung, dass die Enthüllungen blamabel sind und die Beziehungen zu anderen Staaten gefährden können, ABER wenn 2,5 Millionen Amerikaner auf die durch Wikilieaks veröffentlichten „geheimen“ Dokumente Zugriff haben, ist die Geheimhaltung schon von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Außerdem sind die (in)direkten Attacken auf Wikileaks ein Angriff auf die Pressefreiheit. Das lawblog zitiert dazu das Spiegel-Urteil von 1966

Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung.

Laut lawblog gilt für die Presse dass sie ihre Rolle

[..] als 4. Gewalt überhaupt nur dann gerecht wird, wenn sie nicht nur Pressemitteilungen aus Politik, Verwaltung und Gerichten abnudelt. Nein, sie kann und soll den anderen Gewalten auf die Füße treten, indem sie gerade Informationslecks nutzt, um auch die unbequemen Dinge ans Licht zu bringen. Damit erst befriedigt die Presse den Anspruch des Bürgers auf “umfassende Information”, und zwar über den wahren Zustand der Gesellschaft, in der er lebt. Die Pressefreiheit umfasst auch die gesamte Verwertungskette. Informanten- und Quellenschutz sind deshalb keine Phrasen aus Agentenfilmen, sondern handfeste juristische Realität.

Man könnte meinen, dass die Pressefreiheit in den USA als Land der Demokratie und der Freien bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist. Aber gerade dort wird auf Wikileaks eingedroschen:

  1. Wikileaks wird mit einer DDoS-Attacke mit 10 Gig pro Sekunde lahmgelegt
  2. Amazon schmeißt Wikileaks von ihren Servern (damit sollte auch jedem Unternehmen ein Risiko von Cloud-Computing bewusst geworden sein)
  3. EveryDNS löscht wikileaks.org (zum Glück hat die Piratenpartei wikileaks.ch gesichert)
  4. PayPAL schließt das Konto von Assange (Pressemitteilung der Wau-Holland Stiftung)
  5. Mastercard und Visa ziehen nach (besonders makaber ist die Tatsache, dass man weiterhin über diese beiden Karten den Ku Klux Klan unterstützen kann [via Fefe])
  6. Und während die Schweizer Banken nie Probleme damit hatten Nazigold oder Geld von Drogenbaronen anzunehmen, wird Herrn Assange der Account gekündigt
  7. Kuhner von der Washington Times will Assange gleich umbringen [via Nerdcore]

Als „Antwort“ (Rache wäre wohl ein passenderes Wort) führt die Operation Payback ihrerseits Angriffe auf die Webseiten visa.com, mastercard.com (übel, dass der Angriff auf den Webserver auch das Payment-System lahm legt [via fefe]), postfinance.ch und paypal.com durch.

Es gibt Vorwürfe gegenüber Twitter, sie würden die Trending Topics zensieren, so dass Wikileaks dort nicht erscheint. Diese Vorwürfe werden seitens Twitter zurückgewiesen. Stattdessen scheint die Algorithmus-Anpassung zum Trending Topic aufgrund Justin Biebers ehemaliger Dauer-Nummer-1-Platzierung, schuld zu sein.

Und dann gibt es gegen Assange noch die Vergewaltigungsvorwürfe. Ohne Frage, ein schwerwiegender Vorwurf. Ob ich wirklich davon überzeugt bin, dass die USA damit etwas zu tun haben? Na ja, aber wenn an diesem Artikel auch nur ein Quäntchen Wahrheit ist, scheint die Anschuldigung der Frauen kaum haltbar. Ich zitiere

Während seines Schweden-Aufenthaltes war Assange mit beiden Frauen intim. Als Assange sich nicht mehr bei Sophia W. meldete, rief sie auf dem Sekretariat der «Bruderschaft» an. Anna A. nahm den Anruf entgegen, die Frauen, die sich zuvor nicht gekannt hatten, fanden da heraus, dass Assange ein doppeltes Spiel gespielt hatte. Die beiden Frauen gingen daraufhin zur Polizei und baten um Rat. Was folgte, war die Anzeige wegen sexueller Nötigung. Am 20. August versuchte Anna A. dann die Tweets, in denen sie über Assange schwärmt, zu löschen, vergass aber, dass sie im Google-Cache noch vorhanden sind, wo Assange-Befürworter sie fanden und veröffentlichten.

Einen interessanten Artikel zu Hintergründen und der Person Assange hat die Süddeutsche geschrieben.

Was bleibt?
Ein fahler Geschmack von Zensur, Verlogenheit und unterdrückter Meinungsfreiheit. madversity bringt es auf Twitter auf den Punkt:

If Assange was in China doing the same thing, the West would have called him a dissident and given him a Nobel prize #assangearrest

Und während der Westen bei der iranischen „Revolution“ wohlwollend zugeguckt hat, wie die Protestler Twitter einsetzten, um die Revolte gegen das iranische Regime zu koordinieren, löscht während des Schreibens dieses Artikels Twitter den Account der Operation Payback..

Assange Wanted

[via Mr. Fish]

Supergau Stuttgart 21 #S21

Ich muss gestehen, dass ich keine wirkliche Meinung zum Projekt „Stuttgart 21“ hatte. Es schien mir so als sei es mal wieder „in“ gegen etwas zu sein und diesmal war es eben das Bahnprojekt Stuttgart 21. Nachdem ich aber diesen Artikel von spiegelfechter gelesen habe, wurde mir erst bewusst, um was es bei dem Protest in Wirklichkeit geht:

  • Infrastuktur (durch den Wegfall von Gleisen ist ein Verkehrschaos auf den Schienen in Stuttgart (sowohl im Nah- wie auch Fernverkehr) vorprogrammiert)
  • Sicherheit (in den bislang vorgelegten Tunnel-Konzepten fehlen Oberleitungen/Signalanlagen, so dass davon auszugehen ist, dass die Tunnel größer als bislang veranschlagt werden müssen (zusätzliche Kosten); zudem eignet sich der Baugrund nicht für einen derartigen Tunnel)
  • Kosten
  • Das Schwaben-Kartell (auch in Stuttgart werden Aufträge an „der Politik nahestehende“ Firmen vergeben)
  • Stadtentwicklung (die freiwerdenden Flächen (ehemals Gleise) in bester Citylage wurden bereits verkauft (an wen ist unklar))

Der Artikel von spiegelfechter ist sehr lesenswert.

Dass der Protest im Schlossgarten am 01.10. so eskaliert ist, lag wohl an der Polizei. Die angeblichen Pflastersteine, die auf die Polizisten geschmissen wurden, entpuppten sich als Kastanien. Zudem wird gemutmaßt, dass gefilmte Demonstranten die gegen die Polizei Pfefferspray einsetzten, in Wirklichkeit Polizisten waren, die eine solche Szene als spätere Rechtfertigung für ihr hartes Vorgehen aufnahmen.

Neben der Titanic und der heute show reagierte auch extra 3 mit dem goldenen Schlagstock auf diesen Polizeieinsatz:
[youtube TZRaVVXAi6o]

Ebenfalls sehr großes Kino, dass die baden-württembergische Regierung dazu übergegangen ist, Schulleiter aufzufordern, die Kollegen zu verpfeifen, welche an der Demo gegen Stuttgart 21 teilgenommen haben.

Das wirft alles kein großartiges Licht, auf die Demokratie hierzulande: Von irgendwelchen Firmen, die auf dem Rücken der Steuerzahler milliardenteure Mammutprojekte durchdrücken, über Polizisten, die auf Schüler und Rentner losgehen bis hin zu einer Regierung, die zur Denunziation auffordert.

Kehr- und Überprüfungsgebührenordnung (I)

Wie heißt es in der Wikipedia zum Thema Demokratie?

In den so genannten Repräsentativen Demokratien werden hierzu von den Bürgern eines Staates Repräsentanten gewählt (oder in der Vergangenheit auch per Los bestimmt), die über Parlamente und in der Regierung im Auftrag des Volkes Herrschaft ausüben sollen.

Dass diese Repräsentanten nicht immer im Sinne des Volkes herrschen, ist allgemein bekannt. Nichts desto trotz hat das Volk ja auch mehrere Möglichkeiten den Politikern mitzuteilen, was man besser machen könnte, so entschied mein Vater an den Ministerpräsidenten Niedersachsens einen Brief bezüglich der Kehr- und Überprüfungsgebührenordnung zu schreiben. Da ich ihn unterhaltsam finde, findet ihr ihn hier. Viel Spaß!

An den
Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen
Herrn Christian Wulff
Planckstraße 2

30169 Hannover

Abbau von Bürokratie und überflüssigen Verordnungen/Gesetzen
Jahresrechnung 2005 meines Schornsteinfegers entsprechend der Kehr- und Überprüfungsgebührenordnung

Sehr geehrter Ministerpräsident,

als eines Ihrer vordringlichen Ziele haben sie den Abbau von überflüssiger Bürokratie und nicht notwendigen Gesetzen propagiert. Die vorgenannte Kehr- und Überprüfungsgebührenordnung gehört m. E. mit dem Ziel auf den Prüfstand, dieses Gesetz auf absolute Notwendigkeit und nicht aus meiner Sicht auf wirtschaftliche Optimierung gem. den Vorstellungen der Schornsteinfegerinnung zu überprüfen, besser noch, es ersatzlos abzuschaffen.

Ich ärgere mich in jedem Jahr maßlos neben den gestiegenen Energiekosten, über die o.a. Jahresrechnung des Schornsteinfegers. Grundlage dieser Rechnungsstellung ist die vom Land Niedersachsen beschlossene Kehr- und Überprüfungsordnung, zuletzt geändert in 2001. Ich bewohne mit meiner Familie ein im Jahr 1980 erstelltes Einfamilienhaus. Das Gebäude verfügt über 2 massive Schornsteine. Einen Schornstein mit eingezogenen Edelstahlrohr für die Heizungsanlage (Ölbrenner)und einem Schornstein für den Kamin. Selbst der Schornsteinfeger hat mir mitgeteilt, dass das regelmäßige Kehren, gem. Kehr- und Überprüfungsgebührenordnung, ein Relikt aus früheren Zeiten ist. Früher war dies sicher aufgrund der technisch noch nicht ausgereiften Heizungsanlagen die vorwiegend mit festen Brennstoffen betrieben wurden aus Gründen der Betriebssicherheit und der Emission erforderlich. Per heute ist jedoch festzustellen, dass die Heizungsanlagen stetig auch mit dem Ziel der Reduzierung der Emission optimiert wurden. Aus diesem Grunde haben wir auch nachträglich nach dem Einbau einer neuen Heizungsanlage in den Schornstein ein Edelstahlrohr einziehen lassen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass nicht mehr wie früher im Wesentlichen mit festen Brennstoffen, sondern heutzutage fast ausschließlich die Heizungsanlagen mit Gas bzw. Öl betrieben werden.

Die Jahresrechnung des Schornsteinfegers basiert auf der z.Zt. gültigen Kehr- und Überprüfungsgebührenordnung. Die hier aufgeführten Einzelleistungen werden jedoch von den Schornsteinfegern z.B. die Position Begehen/Kehren, der einzelnen Schornsteine in der Praxis nicht mehr erbracht. Es folgt z.B. kein Kehren mehr, weil es nicht erforderlich ist. Es werden somit Teile der Rechnung bezahlt, für die keine Leistungen erbracht werden. In diesem Zusammenhang stellt sich für mich die Frage, ob nicht auch Arbeiten die bisher der Schornsteinfeger erbracht hat, z.B. für Emissionsmessungen, nicht auch von dem Heizungsinstallateur oder emgekehrt Wartungsarbeiten vom Schornsteinfeger erbracht werden sollten. Die Preise für Energie sind und werden weiterhin in den nächsten Jahren erheblich steigen. Sie haben als eines Ihrer Ziele sich auf die Fahne geschrieben, überflüssige Verordnungen zu verschlanken, nach Möglichkeit abzuschaffen und somit zu einer Reduzierung von Heiznebenkosten beizutragen. Mein Schornsteinfeger teilte mir auch mit, es sei wohl mit gesetzlichen Veränderungen zu rechnen. Aber meine Frage hierzu, warum dauert das so endlos lange. Sofern ein Problem erkannt worden ist, müsste doch auch in der Politik schnellstmöglich Abhilfe geschaffen werden oder ist die Lobby der Schornsteinfegerinnung so mächtig, dass es hier nicht zügig vorangeht.

Ich wünsche mir u.a. für 2006, dass Sie die jetzige sich über 5 Seiten erstreckende Kehr- und Überprüfungsgebührenordnung (schon der Name verdient eine Überprüfung) auf das wirkliche Maß der absoluten Notwendigkeit verschlanken.

Für Sie und unser Land ein erfolgreiches, gutes Jahr 2006.

Mit freundlichen Grüßen
XXX

PS: Ich hege keine Missgunst gegen meinen Schornsteinfeger und wünsche auch ihm ein gutes und erfolgreiches Jahr 2006.