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Piraterie im Netz

Bereits in diesem Artikel habe ich die zwei kontrovers diskutierten Positionen in der wissenschaftlichen Literatur zum Thema „Filesharing im Internet“ vorgestellt:

  • Filesharing ist schlecht, weil jeder illegal heruntergeladener Song/Film/Buch ein legal gekauftes Buch/Song/Film weniger bedeutet
  • Filesharing ist gut, weil man so das Risiko senken kann, ein Song/Film/Buch zu kaufen, von dem man enttäuscht ist. Man stellt durch illegale Downloads fest, welcher Künstler einem gefällt und kauft Werke später auch.

Raubkopierer sind Verbrecher

Wenn man die Kampagne „Raubkopierer sind Verbrecher“ (im juristischen Sinn ist es kein Verbrechen, sondern ein Vergehen) der Contentanbieter wie der Film-, Musik- oder Buchindustrie anschaut, sind sie ganz klare Verfechter der ersten These. Der sinkende Absatz in der Musikindustrie seit Napster & Co. spricht natürlich auch für einen negativen Effekt von Filesharing, es könnte aber auch an folgenden Punkten liegen:

  • Zusätzliche alternative Unterhaltungsmöglichkeiten (Internet)
  • Schlechtere Qualität in der Musikindustrie
  • Plattensammlung ist komplett von Vinyl auf CD umgestellt

Beispiele für einen positiven Effekt von Filesharing

Seltener wird in der Öffentlichkeit aber der positive Effekt von Filesharing wahrgenommen und diskutiert. So hat Monty Python ihre Sketche in hoher Qualität auf Youtube gestellt mit dem Hinweis versehen, dass diese Sketche auch auf Amazon gekauft werden können.
Wohl jeder würde davon ausgehen, dass die Absatzzahlen der DVD-Boxen bei Amazon einbrechen, weil man im Internet bei Youtube jederzeit auf das Material in hoher Qualität zugreifen kann. Das genaue Gegenteil ist passiert: Die Absatzzahlen sind um 23.000% gestiegen!  [via slashfilm]

Neil Gaiman (Autor) ist ebenfalls einen gewagten Schritt gegangen und hat festgestellt, dass der Austausch im Netz „eine unglaublich gute Sache“ ist. In diesem Video erklärt er, warum er seine Meinung gegenüber Piraterie geändert hat:

„Then I started to notice that two things that seemed much more significant. One of which was that places where I was being pirated — particularly Russia (where people were translating my stuff into Russian and spreading it out into the world) I was selling more and more books. People were discovering me through being pirated. And then they were going out and buying the real books, and when a new book would come out in Russia it would sell more and more copies.“

Er hat sein Bestseller „American Gods“ nach dieser Beobachtung zum freien Download auf seine Internetseite gesetzt und danach 300% mehr Bücher verkauft. Neil Gaiman erklärt, dass Piraterie wie das Verleihen von Büchern an „gute Freunde“ funktioniert. In Vorlesungen fragt er seitdem sein Publikum wie viele Leser ihren Lieblingsautor durch das Leihen eines Buchs vs. den Kauf eines Buchs gefunden haben. Nur 5-10% der Leser haben durch den Kauf einen Lieblingsautoren gefunden.

Effekte des Copyrights in der Geschichte

Einen besonders interessanten Artikel habe ich zum Effekt des Copyrights im Spiegel gelesen. Zum Glück befindet er sich auch im Internet frei verfügbar: Geschichte – Explosion des Wissens.

Während in England das Copyright dazu führte, dass Bücher als Luxusgut für einen elitären Kreis gesehen wurden, gab es in Deutschland lange Zeit gar kein Urheberrecht (in Preußen wurde es erst 1837 eingeführt, konnte aber aufgrund der Kleinstaaterei nicht durchgesetzt werden). Das führte dazu, dass in Deutschland pro Jahr 1.000 mal mehr Werke (v.a. Schriften mit Naturgegenständen aller Art (Medizin, Landwirtschaft, Gewerbe)) veröffentlicht wurden als in England und so der rückständige Agrarstaat Deutschland innerhalb kurzer Zeit zur ebenbürtigen Industrienation aufstieg. Das Fazit des Textes

„Aus diesem regen wissenschaftlichen Diskurs hat sich die Gründergeneration entwickelt“, so Höffner. Jene Zeit brachte spätere Großindustrielle wie Alfred Krupp und Werner von Siemens hervor.

Einfluss des File Sharings auf die Musikindustrie

Ich saß gestern in der Vorlesung Medienmanagement. Ein Fach, welches ich sehr interessant finde. So wurde gestern der Frage nachgegangen, welch einen Einfluss das File Sharing auf die Musikindustrie hat. Generell gibt es diesbezüglich in der Literatur 2 Theorien:

  1. Das File Sharing ist böse, weil ein illegal heruntergeladenes Lied nicht gekauft wird
  2. Das File Sharing hat einen positiven Effekt, da das File Sharing dazu führt, dass man sich mit Musik auseinander setzt. Man weiß, welche Musik einem gefällt und deswegen gibt man im Endeffekt mehr für Musik, Merchandise und Konzerttickets aus

Welch einen Einfluss die Piraterie wirklich auf die Musikindustrie hat, wird nach wie vor kontrovers diskutiert und ist nicht endgültig geklärt.

Als Beispiel für eine solche Studie haben wir uns mit „The Effect of Digital Sharing Technologies on Music Markets: A Survival Analysis of Albums on Ranking Charts“ beschäftigt. Ich will euch nicht mit Statistiken, Instrumentenschätzer und einer Schätzung mit 2-Stage-Least-Square langweilen, aber dennoch kurz vorstellen, wie die Wissenschaftler vorgegangen sind und welches Ergebnis sie gefunden haben:

  • Die Wissenschaftler haben sich die Chartsdaten vor Mitte 1998 anguckt und nach Mitte 2000 (in der Zwischenzeit ist Napster an den Start gegangen, MP3s wurden immer beliebter etc.)
  • Anstatt den Absatz von CDs als Erfolgsindikator zu nehmen, haben die Wissenschaftler die Platzierung in den Charts genommen
  • Dabei wurde folgendes festgestellt:
    • Die Überlebensdauer in den Charts hat sich insbesondere für niedrig platzierte Alben reduziert
    • Alben von Superstars werden weniger geshared
    • Weniger beliebte Alben (geringe Debut-Position) werden durch File-sharing stärker getroffen als Top-Alben
    • Für Top-Alben (hohe Debut-Position) kann kein signifikanter Einfluss des File-sharing festgestellt werden

Irgendwie kommen mir die Ableitungen spanisch vor.. Ok, die Daten besagen, dass hoch platzierte Alben nach wie vor lange in den Charts bleiben, während Alben, die beispielsweise auf Platz 90 einsteigen, jetzt deutlich schneller wieder aus den Charts verschwinden.

Daraus aber abzuleiten, dass Alben von Superstars weniger geshared werden und dass unbekannte Interpreten durch File Sharing härter getroffen werden, halte ich für äußerst fraglich und aufgrund des Erfolgsmaß „Platzierung in den Charts“ auch überhaupt nicht für beweisbar.

Meine Theorie

für die beobachteten Daten ist folgende:
File Sharing betrifft alle Alben, besonders die der Superstars. Da aber der Musikmarkt ein Starmarkt ist (also einige wenige Stars dominieren den Markt, während die kleinen sich mit dem „mickrigen Rest“ gegnügen müssen), schlägt sich das höhere File Sharing-Volumen bei Super Stars nicht auf deren Platzierung bzw. Überlebensdauer in den Charts nieder.
Um zu erklären, weswegen die Alben auf den niedrigen Plätzen schneller wieder aus den Charts verschwinden, muss man in Betracht ziehen, dass man seit MP3, Napster etc. immer weniger verkaufte Alben braucht, um überhaupt in den Charts zu landen. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass die Abstände der Verkaufszahlen zwischen den niedrigen Platzierungen enger geworden sind und deswegen die Alben mit niedriger Platzierung schneller aus den Charts fliegen. Denn die kleinsten Schwankungen der Verkaufzahlen haben nun eine größere Auswirkung auf die Chartsplatzierung.

Strudel & Duschvorhänge

Umgekehrte Fontäne

Das ist definitiv mal etwas anderes. Wer den Strudel-Springbrunnen in Aktion sehen, will kann sich dieses Video auf Youtube angucken.

[via Makezine]

Richtung eines Strudels auf Nord- und Südhalbkugel

Wer Simpsons-Fan ist, kennt die Folge, in der Bart auf der Südhalbkugel anruft, um festzustellen, wie das Wasser aus der Toilette abfließt. Laut Lisa liegt es an der Corioliskraft, dass sich auf der Nordhalbkugel Wasserstrudel immer gegen den Uhrzeigersinn drehen und auf der Südhalbkugel andersherum.

Laut der Wikipedia stimmt diese Behauptung aber nicht:

Oft wird behauptet, das Drehverhalten eines Wasserstrudels, zum Beispiel in einer Badewanne, sei eine Folge der Corioliskraft. Wird der Abfluss geöffnet, soll sich der entstehende Strudel auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn bewegen, auf der Südhalbkugel entsprechend im Uhrzeigersinn, ähnlich wie es in der Atmosphäre in Hoch- und Tiefdruckgebieten geschieht.

Tatsächlich spielt die Corioliskraft hier nur eine untergeordnete Rolle. Der Wasserstrudel wird von vielen Faktoren beeinflusst (schon existente Strömungen, Einfüllweise, Bauweise des Abflusses, Oberfläche der Badewanne, etc.), welche einen wesentlich größeren Einfluss auf die Drehrichtung haben als die Corioliskraft, welche bei den betrachteten Geschwindigkeiten sehr klein ist.

Laut der Zeit müsste die Badewanne 500x so groß sein und das Wasser müsste einige Tage zur Ruhe kommen, damit die Corioliskraft bemerkbar ist.

Aber ganz so einfach ist es wohl doch nicht. Als bekennender Langbader habe ich früher Stunden damit zugebracht, den Strudel in der Badewanne umzudrehen. Immer erfolglos..
Ok, es könnte auch daran legen, dass die Badewannenform oder der Ausguss eine Form hat, die nur eine Strudelrichtung erlaubt. Es könnte auch sein, dass ich einfach ein inkompetenter Strudelrichtungsänderer bin..Verdammt! ;o(

Der nach innen gewölbte Duschvorhang

Und jetzt wollte ich eigentlich nur kurz anmerken, dass sich der Duschvorhang während des Duschens immer nach innen wölbt, weil sich in der Dusche ein Strudel bildet, der den Duschvorhang nach innen saugt. Aber diese Anmerkung stimmt so nicht, denn laut englischer Wikipedia Seite des Shower-curtain effects gibt es viele Theorien, aber keine endgültige Erklärung dieses Effekts. DANKE, super Fernsehsendung „Galileo“! Schön , dass du solche Behauptungen als Tatsachen hinstellst und ich dir auch noch glaube..

Das Duschvorhang-Phänomen ist also doch etwas komplizierter und nicht alleine auf einen Wirbel zurück zu führen.. Folgende Theorien gibt es zum Duschvorhang-Phänomen:

  1. Buoyancy theory: Warme Luft steigt in der Dusche auf und kalte Luft fließt von unten nach, wodurch der Duschvorhang unten nach innen gedrückt wird.
  2. Venturirohr
    Gesetz von Bernoulli

    Bernoulli effect theory: Bernoulli hat herausgefunden, dass eine höhere Fließgeschwindigkeit einen Druckabfall bedeutet. Was bedeutet das für unseren Duschvorhang?
    Innerhalb der Dusche beginnt sich die Luft parallel zur Oberfläche des Duschvorhangs zu bewegen, weil die Wassertropfen von oben aus dem Duschkopf nach unten fallen. Und laut Bernoulli führt das schnellere Bewegen der Luft entlang des Duschvorhangs dazu, dass ein Unterdruck entsteht, der den Duschvorhang nach innen wölbt.

  3. Horizontal vortex theory: Und jetzt kommt die Wirbeltheorie, die aufgrund einer Computersimulation erhoben wurde. Laut dieser Simulation führt das Versprühen des Duschkopfes dazu, dass sich ein horizontaler Wirbel bildet, in dessen Innerem Unterdruck herrscht. Dieser Unterdruck führt dazu, dass der Duschvorhang sich nach innen wölbt.
  4. Coandă LöffelThe Coanda Effect: Dieser Effekt besagt, dass Flüssigkeit oder Gas an einer konvexen Hülle entlang läuft (siehe rechts das Wasser, das am Löffel entlang läuft).  Entsprechend dem 3. Newtonschen Gesetz wird der Löffel in Richtung Wasserstrahl gezogen.
    Auf unseren Duschvorhang übertragen, bedeutet das, dass das Wasser bzw. die Luft (s. Bernoulli Effekt) ausschließlich auf der Innenseite des Duschvorhangs entlang läuft und den Vorhang deshalb (nach dem 3. Newtonschen Gesetz) nach innen zieht.
  5. Kondensation: Eine heiße Dusche produziert Dampf, der an der Innenseite des Duschvorhangs kondensiert. Diese Kondensation führt zu einem Unterdruck, der den Duschvorhang nach innen zieht.

Wie man auch zum Duschen steht, es ist doch erstaunlich, dass Wissenschaftler eine Atombombe bauen können, aber nicht in der Lage sind, endgültig zu erklären, warum sich der Duschvorhang nach innen wölbt.. Ich bin desillusioniert!