Als ich im McDrive stand, kam von hinten ein Fahrzeug angefahren, in dem laut Techno lief. Da ich gerade ’ne System Of A Down-Platte dabei hatte, drehte ich voll auf, kurbelte die Fenster runter und ließ Techno Techno sein… Und wenn ich samstags an Wehldorf vorbeifahre, denke ich mir jedes Mal, was wohl passieren würde, wenn da in der Main Disse unverhofft Voodoo Chile von Hendrix gespielt wird. Funktioniert der Exorzismus und der Teufel des schlechten Geschmacks verlässt die Körper der Besucher?
Man stellt sich die Frage, was passieren würde, wenn man es verbieten würde, bestimmte Musikrichtungen anzuhypen, Radio und Fernsehen würde es in dieser Form nicht geben, Musik als Gesprächsthema wäre ein Tabu und Läden, in denen Musik läuft, gibt es nicht. Jeder Mensch hätte jedoch die Möglichkeit auf alle musikalischen Werke über’s Internet zuzugreifen. Ich glaube, die Jugendkultur der letzten 50 Jahre wäre nicht entstanden und Musik hätte nicht diesen Stellenwert. Sicherlich eine langweilige Welt, aber dennoch interessiert es mich, welcher Musikstil sich bei denjenigen durchsetzen würde, die sich Musik anhören.
Ich glaube, die erste Musik-Kassette, die ich mir intensiv angehört habe, war damals eine von Michael Jackson und die erste, die ich mir gekauft habe, war ACDC – The Razors Edge. Nicht unbedingt die schlechteste Musik, ABER die erste CD, die ich mir gekauft habe, war Bravo-Hits – Best Of 1995 und das wegen der Outhere Brothers mit Boom Boom Boom. Welch ein schlechter Song, aber ich mochte ihn damals. Lag es an der Werbung? An MTV oder Bravo? An meinem Alter? Keine Ahnung.
Irgendwann holte ich mein altes „Meine Schulfreunde“-Buch heraus (Wer erinnert sich nicht?), wo sich auch meine Mutter eingetragen hat und unter Ich bin Fan von: Beatles, Hendrix und Musik der 60er Jahre reingeschrieben hat. Und das war Musik, die mich gleich angesprochen hat. Durch das Internet lernte man schnell weitere Interpreten kennen, kam auf Stones, Led Zeppelin, Deep Purple usw. Durch Freunde und Stammdisko kamen weitere Interpreten dazu und im Endeffekt muss man eingestehen, dass sich der eigene Musikgeschmack ausschließlich durch andere entwickelt hat. Sicherlich gibt es Interpreten, auf die man selber gestoßen ist, aber von den Blues Brothers zu Edwin Starr oder Rufus Thomas ist es ja nicht weit.
Tja, und wenn man etwas als schlechte Musik bezeichnet, ist es wohl eher so, dass einem der Zugang zu dieser Musik fehlt… Man muss ja nicht alles hören!!!
Zum Abschluß noch ein Zitat von Steve Martin:
„Über Musik zu sprechen ist wie über Architektur zu tanzen.“
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Ich würde schon behaupten, dass es Qualitätsunterschiede in der Musik gibt. Bands wie die Beatles haben einen Stil geprägt, waren innovativ, werden noch heute gerne gehört und häufig auch im Auftreten oder in der „musikalischen Gestaltung“ kopiert. Für mich ist das vom künstlerischen Aspekt her wesesentlich besser als irgendwelche gecasteten Musiker die im Studie genau den Song einsingen, den der Produzent für hitverdächtig hält. Welcher Hahn kräht den heute noch nach Outhere Brothers?
Unwissenheit lasse ich als Argument gelten. Aber ich glaube auch, dass viele, die 50Cents hören, die Schönheit von Musik noch nicht für sich entdeckt haben und von daher diese Gefühlsbeziehung, von der du zu Recht sprichst, gar nicht erst aufbauen.
Zur Zeit läuft im Radio wieder ein Stück in dem sie einen Klassiker als Melodielinie eingemischt (mir fällt gerade nicht ein welcher, es könnte „Where did our love go“ sein). Warum machen die das? Weil die Melodielinie gut ist! Warum das Rad neu erfinden, man kann halt im Marketinglaborstudio schlecht diese Musikqualität erreichen. Oder was ist mit Jessica Simpson / Pizza Hut „This ? are for popping“?
Sind wir uns nun doch einig?
Du schriebtestest:
„Durch Freunde und Stammdisko kamen weitere Interpreten dazu und im Endeffekt muss man eingestehen, dass sich der eigene Musikgeschmack ausschließlich durch andere entwickelt hat.“
Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel über eine Forschergruppe gelesen, die über spezielle Downloadseiten herausfinden wollte, was den Musikgeschmack beeinflusst. Ich glaube der einzige signifikante Faktor, der den Musikgeschmack beeinflusst, waren Empfehlungen von Freunden und Bekannten. Die Musik selber spielte keine so große Rolle. Ich finde diese Erkenntnis sehr ernüchtern. Allerdings erklärt das auch, warum soviel schlechte Musik auf den Markt kommt. Auf der anderen Seite müsste das aber auch bedeuten, dass viele Musikkonsumenten auch leicht hin zu besserer Musik zu beeinflussen sind.
Leider kann ich gerade den Artikel nicht mehr finden.
Horrido
RocknRollNeandertaler
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Die Frage ist doch: Ist Hendrix besser als 50Cent? Oder Blues Brothers besser als Madonna??? Kann man das überhaupt vergleichen? Was ist gute Musik? Ist Musik nur deswegen besser, weil’s einem gefällt? Das wäre ein ziemlich beschissenes Argument.
Das einzige Kriterium für Musik ist doch, ob es die eigenen Gefühle widerspiegelt oder anders formuliert „Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.“ (E.T.A. Hoffmann) Und nur weil Hendrix, die Stones oder Doors die Form von Musik machten, die am ehesten den eigenen Gefühlen Ausdruck verleihen, heißt es ja nicht verallgemeinert, dass das auf jeden zutreffen muss. Man kann lediglich unterstellen, dass einige dieser Musik keine Chance geben bzw. unwissend sind und deswegen bei 50cent oder Modern Talking stehen bleiben.
Andererseits ist Madonna oder Trio ganz groß angesagt, wenn man Skat spielt. :-) „Herz ist Trumpf“ oder „Like A Virgin“, wenn man beim Ramschen Jungfrau ist, sind da jedes Mal große Hits! :-)
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Natürlich sind wir uns einig… Es gibt Kommerz-Musik und Kunst-Musik. Und das oft ältere Musik gecovert wird, spricht für die alte Musik.
Nichts desto trotz spricht ja nichts gegen Kommerz-Musik. Hier bringe ich immer gerne ein, dass die Monkees weder gesungen noch irgendein Instrument beherrscht haben. Es gab also schon gecastete Gruppen in den 60ies und zumindest die Monkees gefallen mir persönlich sehr, obwohl’s Kommerz-Musik ist. Ob sie jetzt einen Stil geprägt haben oder qualitativ hochwertige Musik gemacht haben, weiß ich nicht. Und die Stones haben zu Anfang ihrer Karriere ja auch lediglich alte Blues-Klassiker neu eingespielt, nichts desto trotz waren sie schon zu der Zeit eine Größe.
Ich bin absolut deiner Meinung, was die heutige Popindustrie angeht und denke, dass die Radiosender mit ihrem Einheitsbrei (was möglichst wenig bei den Hörern aneckt) auch ihren Beitrag zur Nichtsaussagenden/Sinnentleerten-Gedudel-Produktion leisten. Was würde ich dafür geben einen Sender zu haben, der nicht darauf bedacht ist möglichst wenig Hörer zwischen den Werbungen zu verlieren, sondern ein breites Spektrum an Musik (von früher bis heute) spielt, die entdeckt werden will, egal welches Genre.