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Sicherheit von Atomkraftwerken

Als ich neulich die 45 minütige Doku „Risiko Atomkraft“ des NDR gesehen habe, dachte ich „Je mehr man weiß, desto weniger will man wissen.

Der GAU scheint trotz der Eintrittsmöglichkeit etwas zu sein, womit man sich lieber gar nicht erst beschäftigen möchte. Die freiwilligen Feuerwehren nehmen zwar an Übungen teil, die Bevölkerung wird aber nicht mit eingebunden (anders als in Japan). Schulen und Kindergärten im näheren Umkreis der AKWs haben keine Jodtabletten vorrätig und wissen auch nicht so genau, was man im Falle eines GAUs machen soll. Ein Schulleiter würde zum Beispiel seine Schüler auf dem Sammelplatz auf dem Schulhof antreten lassen, obwohl dort die Strahlung höher ist als innerhalb des Gebäudes.

In der Doku gibt es ebenfalls ein Interview (s. folgendes Video) mit einem Schichtleiter eines AKWs zum Thema Sicherheit bzw. „Risiko Mensch“, welches allerdings durch den Pressesprechers kontrolliert wird. Interessant wird es als ein Kamerateam bei einem echten Störfall in Brokdorf im Kontrollraum dabei ist. Verwunderlich, was für Leute im Kontrollraum arbeiten: ein ehemaliger zweiter Ingenieur einer Autofähre und ein ehemaliger Elektroinstallateur. Nichts gegen diese beiden Berufsstände, aber ich dachte, dass man wenigstens studiert haben muss, um dort zu arbeiten… Wobei ich selbst studierten Menschen nicht zwangsläufig zutrauen würde, ein komplexes technisches System wie ein Atomkraftwerk beherrschen zu können. Der Umgang mit dem Störfall erinnert stark an Homer Simpson:

http://www.youtube.com/watch?v=bC0BTjgubAY

Wer sich selbst mal als Kontrolleur eines AKWs versuchen will, sei dieses Flash-Game ans Herz gelegt (Klick auf Bild):

AKW Kontroll-Game

[via BoingBoing]

Und selbst wenn man unterstellen würde, dass die Technik und Mitarbeiter eines Atomkraftwerks fehlerfrei arbeiten und es keine „interne Risiken“ gibt, muss der Staat Terrorangriffe als „möglich“ einschätzen – oder warum werden in diesem Staat die Bürgerrechte beschnitten?

Und so ein Terrorist könnte sich nicht nur mit einem Flugzeug auf ein AKW stürzen, sondern Al Qaida ist laut dem Waffenexperte aus der Doku im Besitz von panzerbrechenden Waffen. Der Terrorist könnte damit aus größerer Entfernung auf das AKW schießen und selbst neuere Atomkraftwerke könnten diesen Angriff nicht standhalten. Und dann wird in der Doku „Risiko Atomkraft“ des NDR eine Sprecherin eines AKWs zum Thema Terrorgefahr interviewt und das möchte ich doch mal gerne zitieren:

Frage: Wie schätzen sie die Terrorgefahr ein?
Sprecherin: Wir haben beispielsweise neulich eine Übung gehabt, in der simuliert wurde, dass Terroristen dieses Kraftwerk angreifen. Wir haben zusammen mit der Polizei und dem Objektsicherungsdienst.. ist es uns gelungen, diesen Angriff abzuwehren.Das heißt, die Terroristen sind überhaupt nicht bis in Sicherheitsbereiche vorgedrungen.Es ist ihnen nicht gelungen.
Frage: Welche Art von Terrorangriff haben sie da geübt?
Sprecherin: Ein Angriff, die… Die Täter sind über den Zaun und wollten in den Sicherheitsbereich der Anlage eindringen. Und das ist ihnen nicht gelungen.
[…]

Ok, gut zu wissen, dass „kleine Jungs“-Späße, wie in einem Freibad nachts einzusteigen, in einem AKW nicht möglich sind. Aber selbst ich als Laie kann mir bedrohlichere Angriffe vorstellen. Aber Risikoanalysten von AKWs scheinen eh nur eine eingeschränkte Phantasie zu haben, wie Japan zeigt: „Ok, wir bauen erdbebensicher. Aber ein gleichzeitiger Tsunami? In einem Land, aus dem der Begriff „Tsunami“ stammt? Also ehrlich. Wie unwahrscheinlich ist das denn?!“ Konnte man ja wirklich nicht ahnen…

Und noch großartiger sind die Gegenmaßnahmen für Luftangriffe auf AKWs: Zivilflugzeuge abzuschießen, verstößt ja laut Bundesverfassungsgericht gegen das Grundgesetz. Auch dann, wenn ein Flugzeug von Terroristen übernommen wurde und auf ein AKW zu stürzen droht. Also dachten sich die Sicherheitsexperten muss man die AKWs im Notfall tarnen. Womit? Mit Nebel. In der Marine wird das auch als Verteidigungsmaßnahme für Schiffe eingesetzt. Moment mal! Kann sich ein Schiff bewegen? Ja! Kann sich ein Atomkraftwerk im Nebel bewegen? Nein! Was bringt also Nebel?!

Wie schon anfangs geschrieben: „Je mehr man weiß, desto weniger will man wissen.“ Das Dumme ist nur, dass die AKWs nicht irgendwo in Japan oder den USA stehen, sondern direkt in der Nachbarschaft. Die Zeit hat eine tolle, interaktive Karte mit dem Titel: Wie viele Menschen leben im direkten Umkreis von Atomkraftwerken? Der maximale Umgebungsradius von 80 km ist wegen des radioaktiven Niederschlags wohl eher ein Best Case-Szenario…